Vorne oder hinten?
Ob die besseren Reifen nun auf der Vorderachse, der Hinterachse oder auf der Antriebsachse montiert werden sollten, sollte man nicht verallgemeinern.
Viele Profs empfehlen zwar die besseren Reifen auf der Hinterachse zu montieren, da diese dem Fahrzeug die Stabilität gibt, allerdings ist dies sehr unzulässig pauschalisiert.
Wesentliche sicherheitsrelevante Betrachtungsaspekte sind hier Lenkung, Bremsen und die Fahrbahnverhältnisse:
Provokant ausgedrückt, brauche ich bei "störfreier" Fahrbahn (wie wenn trocken, eben usw.) gar kein Profil!
Also sprechen wir hier vorwiegend von nassen, glatten oder unebenen Fahrbahnen.
Immerhin ist die Vorderachse dafür verantwortlich, in welche Richtung das Fahrzeug gesteuert wird.
Wer möglicherweise persönlich über Motorsporterfahrungen verfügt und oft in Grenzbereichen ("am Limit") unterwegs war, wird immer sagen, dass ihm ganz klar ein übersteuerndes Fahrzeug (ein Fahrzeug, dass mit dem Heck kommt) wesentlich lieber ist, als ein untersteuerndes Fahrzeug (wenn das Fahrzeug über die Vorderachse schiebt).
Im weiteren ist die Bremskraft auf der Vorderachse (70%) höher, als auf der Hinterachse (30%).
Hat man nun also die schlechteren Reifen auf der Vorderachse, so wird sich mein Bremsweg genau dann wenn es drauf ankommt, unsäglich verlängern.
Zusätzlich beachtet werden möge, dass der ordentliche (Abriebs-)Verschleiss an den Vorderrädern (85%) ein höherer ist, als an der Hinterachse (15%) und kumulativ die Antriebsachse höher beansprucht wird, also quasi den Traktionsvorteil der Profilierung über die Laufleistung wieder einbüsst.
Winterliche Aspekte spielen in den Erwägungen zusätzlich dahingehend ein, dass es ein Unterschied macht, welche Reifen mich durch den Schnee ziehen oder schieben sollen.
Kurzum, bessere Reifen an der Vorderachse bringen Sicherheitsvorteile beim Bremsen und bei Aquaplaning.
Bessere Reifen an der Hinterachse bedeuten mehr Stabilität in Not- und Ausweichsituationen. Hier aber würde ein womögliches Ausbrechen des Heckes wirksam durch Fahrsicherheitstrainings oder eben durch ESP oder vorhandene Assistenzsysteme zu beherrschen sein.
Man bedenke: Eine Kurve kommt nicht urplötzlich, ein Kind vor dem Wagen hingegen schon...!
Sofern also die Profiltiefen nicht sowieso identisch sind, montiere ich persönlich die schlechteren Reifen auf die Hinterachse.
Vielmehr noch stellt sich doch die Frage, optimiere ich mein Fahrzeug für den Extrembereich oder für den Alltagsgebrauch; soll mein Fahrzeug am Limit beherrschbar sein oder im normalen Fahrbetrieb?
Brauche ich Seitenführung im Grenzbereich oder sichere Bremsen und besseres Aquaplaningverhalten im Normalbetrieb. Wie oft mache ich den ultimativen Elchtest und wie oft muss ich im Schnee plötzlich unerwartet abbremsen? Was kann ich selbst überhaupt fahrerisch leisten?
Denn z.Bsp. das Aquaplaning hingegen ist eher (für Normalo) "wahrnehmbar", wenn es die Vorderräder betrifft.
Der Effekt des Aquaplanings ist aber an den hinteren Reifen aufgrund der verdrängenden Spurbildung in praxi deutlich untergeordneter, aber wenn trotzdem (durch nicht angepasste Fahrweise!) die Hinterräder den Kontakt mit dem Boden verlieren, ist es meist weniger oder eben erst später spürbar.
Nur der etwas komplikative Spurwechsel bei Nässe oder das asymetrische "Aufschwimmen" könnte also ein Argument für die Montage der Reifen mit ausgeprägterem Profil an der Hinterachse sein.
Ein mit der Vorderachse ausbrechendes Fahrzeug wird gemeinhin als leichter wieder unter Kontrolle zu bringen betrachtet, als beim Ausbrechen über die Hinterachse. Eine querdynamisch betonte Fahrweise fördert die Übersteuerungsneigung. Deshalb auch sind aus Gründen der Fahrsicherheit moderne Fahrzeuge meist so ausgelegt, dass bei stationärer Kurvenfahrt die Vorderachse zuerst die Kraftschlussgrenze erreicht (Hausfrauensetup).
Wenn man zudem bedenkt, dass sich allgemein die Fahrkünste unserer Zeitgenossen nicht eben unbedingt auf entwickelten Niveau befinden und diese sich zudem durch allerlei elektronischen Gerät entlastet meinen (denn: belastet und abgelenkt !), dann ist also schon nachvollziehbar, wenn der ADAC und die BILD für die Klientel der Mitglieder und Leser populäre Losungen ausgibt, welche allerdings weniger fachlich fundiert, als pädagogisch bedingt sind....
Diese Entscheidung sollte also jeder verantwortungsbewusst und wissend für sich selbst treffen...!
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