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Alt 10.04.2011, 19:55   #29
bluedog
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Standard Sonntagsfahrt

Heute habe ich mich zu einer Rundreise hinreissen lassen. Ging nicht anders, bei Postkartenwetter und über 20°C.

Letztes Wochenende hatte ich die Ehre, zwei Motoradfahrer auf einer kurzen Tour bei ebenso schönem, nur wenig kühlerem Wetter begleiten zu dürfen. Da die Gegend sowas von Schön war, und das ganze in so guter Erinnerung war, zog es mich heute nochmal in die selbe Gegend. Ganz spontan, denn eigentlich sollte heute mein Zebra mal nicht ackern müssen. Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.

Also los. Erst an die Schnapstanke. Auffüllen. Hat ja nen gesegneten Durst, und ich bin gestern Abend schon einmal quer durchs Mittelland durch, bis fast an den Greifensee... aber das ist eine private Geschichte. Nix is, mit erzählen!

Nach 26l war dann voll.

Gezahlt und los. Ab auf die Autobahn. Ihr wisst ja, ich liebe die Buckel- und Schlaglochpiste der A1. Eine Strasse, die auf diesem Teilstück (Egerkingen – Rothrist) nicht verdient hat, eine schweizer Strasse genannt zu werden... traurig, der Fahrbahnzustand!

Verzweigung Wiggertal Richtung Gotthard, Luzern. Ausfahrt Reiden. Dann dem Navi an ner Tankstelle befohlen, auf dem kürzesten Weg nach Hochdorf – Lenzburg.

Via Sursee und über die „Schlacht“ also nach Sempach. Irgendwann dann an der Seetalbahnlinie angekommen. Nach wenigen hundert Metern beschliesse ich, von der Hauptstrasse abzubiegen, die Langweilig und zugebaut der Bahntrasse folgt.

Ich biege also bergauf ab, und folge eine Weile lang einfach mal den Strassen, die bergauf führen.

Die Strassen schlängeln sich alsbald durch sattgrüne Wiesen, die mit blühenden Obstbäumen bestanden sind. Im Tal sieht man immer wieder den See, und in der Ferne die noch sehr weissen Alpen. All das bei strahlendem Sonnenschein. Es begegnet einem auf der Strecke auch der rollende Geldadel. Vom Morgan über den sixties-Buick bis zum (vermutlichen) Bugatti ist alles unterwegs. Natürlich auch eine knappe Handvoll VW-Käfer. Einmal seh ich im Rückspiegel eine Alfaromeo Spider. Auch ein schön restauriertes 30er-Jahre Bike begegnet mir an einer Kreuzung.

Die gefahrene Route geht grob über Sulz – Hämikon – Müswangen – Schongau – Bettwil – Fahrwangen – Hilfikon – Dintikon. Dann grobe Peilung Lenzburg, und irgendwo in der Gegend wieder auf die Autobahn. Es bleibt irgendwie keine Zeit, das Navi zu programmieren, und so folge ich dem grünen Wegweiser Richtung Basel/Zürich. Kaum bin ich auf der Autobahn, vor mir ein Perdeanhänger, gefolgt von einem mit einem Porsche 356 oder so beladenen Anhängerzug, merk ich, dass ich komplett falsch liege. Ich geniesse die Fahrt trotzdem. Bei „Tombstone Shadow“, „Hello Mary Lou“ und weiteren CCR-Klassikern und Sonnenschein, bei angenehmer Frischluftzufuhr durch geöffnete Fenster lässts sich mit dem Irrtum leben. Der Country-Sound von „Hello Mary Lou“ lässt mich an ein freudig trabendes Pferd denken. Das Pferd in dem Angänger vor dem Posche-Transporteur würd sicher gern ein paar Freudensprünge machen bei dem Wetter, auf ner Saftigen Wiese... Es muss sich bei dem Porsche auf dem Anhänger vor mir wohl um eines jener Kitcars handeln, das es mal für VW-Käfer-Chassis zu kaufen gab. Inzwischen selber wieder ein echter Oldtimer, wenn schon kein echter Porsche. An einen echten 356er Porsche glaub ich nicht. Könnte auch sein, aber so einen Schatz würde man nicht durch ne enge Autobahnbaustelle zwängen, wenn das (Schmalere) Zugfahrzeug nicht mal Zusatz-Aussenspiegel hat. Merklich ist dem Fahrer auf der Baustellen-Behelfsspur mit oranger Markierung nicht wohl. Ich stelle fest, dass er sich wohl an mir orientiert, denn fahre ich weiter rechts an den Leitelementen, tut er Sekunden später das gleiche, zieh ich weiter links meine Bahn, wird auch der Abstand des Anhängerzugs zu den Leitelementen kleiner... Ich fahre mal spasseshalber ganz weit rechts, und wirklich, auch der Anhänger kommt nun auf Zentimeter an die Leitelemente rechts. Einen vorstehenden Brückenpfeiler verfehlt der Zug nur ganz knapp... soviel zum Thema Anhängerfahren... Man sollts lassen, wenn man es nicht kann, und dann nicht mal die notwendige Ausrüstung einsetzt! Dabei ist ne Garagennummer dran, der Mann müsste den Zug also berufsbedingt regelmässig fahren... verantwortungslos, sowas.

Als der dann am Ende der Baustelle nach links zieht, fahre ich ab, und halte an, ums Navi nachem Weg zu fragen. Letztlich erreich ich Olten wieder, via Obergösgen -Winznau. Unterwegs komm ich an einem Restaurant vorbei, das sich „Grounding“ nennt. Ich muss an die Swissair denken, und frag mich unweigerlich, obs einen Zusammenhang gibt. Ich drehe um, und beschliesse, dass ich mir ne Cola doch noch gönnen könnte, auch wenns auf der Strecke schöner gelegen „Beizen“ gegeben hatte, die ich allesamt nicht beehrt hab.

Ich wende, suche mir in der Quartierstrasse einen Parkplatz und gehe die paar Meter zum Grounding blinzelnd im Sonnenschein. Angekommen, hör ich einen satten blues sound à la Chuck Berry oder so was in der Art. Genau das, was ich immer gesucht hab!

Mit einem frohen Grinsen tret ich ein, wuchte mich die kurze Treppe hoch und setze mich an einen der Tische.

Grosse Cola, hätt ich gern. Ich frag nach, ob die Poulet-Flügeli (Hähnchen-Flügel) von der Tafel am Eingang noch aktuell seien.

Der Wirt meint ja, zögert dann aber, und meint, nachmittags sei er allein...

Dann lassen wir das eben erstmal.

Kurz nach Siebzehn Uhr, ich habe grade die ersten Schlucke meiner Cola genossen und mich an der Musik erfreut, und mir die Gritarren, Trompeten und Plattencover an der Wand angesehen, steht der Wirt wieder da, und meint, er könne nun die gewünschten Poulet-Flügeli doch liefern.

Das freut den hungrigen Sonntagsfahrer! Sauce Tartar hätt ich gern dazu.

Eine Viertelstunde später bin ich hocherfreut, und zugleich richtig positiv überrascht. Das Essen sieht so gar nicht nach „Dorfbeiz“ aus, ist einfach, aber ansprechend angerichtet, und die Sauce ist sicht- und deutlich schmeckbar selber gemacht. Leckerstens! Hätt ich nun nicht erwartet.

Ich lasse mir Zeit, zahle, gebe reichlich Trinkgeld, und lasse mir eine Karte geben. Ich will den Laden wiedermal finden...

Der Heimweg geht über Obergösgen und Winznau nach Olten. In Obergösgen direkt am AKW vorbei. Beim Anblick dieser Höllenmaschine in fast schon Wurfweite, wird mir mulmig.

Wenig später bin ich zufrieden zu Hause.

Fotos gibts, wenn ich es dann einmal geschafft haben sollte, sie dem Handy zu entreissen. Eine jener Touren, wo ich es einmal mehr bereue, keine Cockpit-Cam installiert zu haben. Ein wirkliches Manco. Bei den schönen Aussichten und dem Sommerwetter.
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Cuore L251 Bj 7/2003, Automatik: Ausrangiert, leider!

Citroen C1 Automatik BJ 2011:

Mofa: Dreirad auf Basis eines Amsler-Pony, Verbrauch Zweitaktgemisch: <3.5l/100km.

Das grosse Artensterben auf dieser Welt wird den Menschen erst bewusst werden, wenn schliesslich auch der Tiger im Tank ausstirbt.
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