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Alt 13.05.2008, 20:23   #39
bluedog
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So, jetzt sag ich euch auch was. Was hier abgeht, das war im Grossen und Ganzen voraussehbar. Einer meiner lieben Onkels hat mit mir und meinem Paps und dessen Brüdern schon vor Jahren (es dürften seither deren 5 oder 6 in die Lande gegangen sein) darüber sinniert, wie es mit (West)Europa weitergehen würde. Er kam damals schon zum Schluss, dass es eigentlich nur noch abwärts gehen könne. Das dann aber auch völlig unabhängig von steigenden Energiepreisen. Das ist nur einer von ganz vielen Faktoren, die ansich austauschbar sind...

Die Grundüberlegung ist die, dass man von einer Globalisierten Wirtschaft ausgeht, und sich fragt, wer da was zu gewinnen, respektive zu verlieren hat.

Alle Oststaaten, inklusive Russland und China sind auf dem Aufsteigenden Ast. Dort ist das Wohlstandsniveau wesentlich bescheidener, und die Löhne sind tiefer. Da ist es also einfacher, ein gesundes Wirtschaftswachstum von sagen wir mal 2% und mehr zu erreichen, einfach weil die Absoluten Zahlen sich auf einem ganz entscheidend tieferen Niveau bewegen. Folglich wird der Aufbau und Erhalt von sozialen Sicherungssystemen leichter sein... Kommt dazu, dass die Leute dort genau wissen, wofür sie Arbeiten. Für die ist ein Haus mit fliessend Wasser und Strom ein gigantischer Fortschritt, und man freut sich, wenn man sich nur schon ein Motorrad leisten kann, während wir in Westeuropa glauben, die Welt geht unter, wenn wir uns keinen VW mehr leisten können.

Wenn der Sprit teurer wird, dann fährt man eben, den Gesetzen des Marktes gehorchend, ein Vehikel, das damit sparsamer umgeht. Guckt mal nach Italien, oder denkt zurück an die 50er Jahre. Die Motorisierte Gesellschaft sah damals anders aus, und der Sprit kostete gemessen an der Kaufkraft mehr als heute. Es ging auch. Man ging eben zu Fuss Brötchen holen, und fuhr Goggomobil, Heinkel, Messerschmitt und Isetta, oder gleich Motorrad. Und man freute sich über nen guten Job, statt zu maulen und zu lamentieren, ob man nun 32 oder 34h Wochenarbeitszeit akzeptieren könne oder nicht. Und man arbeitete wesentlich motivierter als heute üblich in breiten Schichten.

Der Anteil des Einkommens, was man für Lebensmittel auszugeben hat, ist seit dem Krieg kontiuierlich gesunken. Das hat dazu geführt, dass man die Lebensmittelproduktion massiv subventionieren muss. Zudem hatten wir gigantische Produktionsüberschüsse, eben wegen der Subvention und deswegen, weil nur noch die Masse genug Geld bringt, um die hoch kapitalisierte Landwirtschaft rentabel zu halten, und den Bauern ein Auskommen zu sichern.

Wenn jetzt ein Gegentrend einsetzt, führt das vielleicht auch dazu, dass man die Subventionen zurückfahren kann. Das entlastet die Staatskasse, und lässt vielleicht den Markt wieder besser funktionieren. Und soweit, dass es brenzlig würde, sind wir noch nicht. Nicht, solange man Kartoffeln und Gurken in den Konservenfabriken aussortiert, weil die Form oder die Farbe nicht genehm sind.

Gegen die in der Politik und Wirtschaft, in der Raffgier und Kurzssichtigkeit regieren, kann man nichts machen. Als kleiner Mann nicht... aber vielleicht kommts dann mal dazu, dass man sich um wirkliche Probleme kümmert.

Das Problem Deutschlands ist nicht die Pendlerpauschale oder der hohe Treibstoffpreis. Es sind die verkrusteten Strukturen, die auf die Jahrzehntelang zu tiefen Energiepreise ausgerichtet ist, und die sich Anpassungen an das neue wirtschaftliche Umfeld konsequent verweigert.

Wenn man die Pendlerpauschale kürzt, dann sollte das nicht heissen, dass man jammert, sondern dass man versucht, näher an den Arbeitsplatz heran zu ziehen.
Dito bei den Energiepreisen. Wenn Treibstoffe teuer werden, muss man nicht primär jammern, sondern Prozesse schnellstmöglich so umstrukturieren, dass Energie gespart und effizienter eingesetzt wird, und sich Transportwege verkürzen, oder man ganz auf bestimmte Transporte verzichten kann.

Glaubt mir: In der EU ist diesbezüglich noch mehr als genug Luft in den Vertriebs- und Produktionsprozessen! Wers nicht glaubt, gucke sich mal den Brenner und den Gotthard genau an. Da werden Holländische Tomaten nach Italien gekarrt, bloss um sie zu waschen. Dann gehts weiter zum Verpacken nach Polen, um das ganze dann in Deutschen Supermärkten zu verkaufen. Und Deutsche Baumärkte verkaufen Lettischen Torf, der per Strassentransport(!!) nach Deutschland gefahren wird. Energiesparender ginge es beispielsweise per Bahn. Oder man verkauft gleich in den Deutschen Baumärkten vorzugsweise deutschen Torf, und spart sich damit den Löwenanteil an Energie- und Transportkosten. Denn Diesel, den kein LKW verbrennt, muss auch kein Kunde zahlen. Da kanns dann irgendwann billiger und sinnvoller sein, dafür ein paar Arbeitsplätze in Deutschland, Österreich oder sonstwo zu schaffen. Und wenn das zu bescheidenen Löhnen geschieht, so ist das immer noch besser, als von Hartz IV das Benzin fürs Moped nicht mehr zahlen zu können.
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Cuore L251 Bj 7/2003, Automatik: Ausrangiert, leider!

Citroen C1 Automatik BJ 2011:

Mofa: Dreirad auf Basis eines Amsler-Pony, Verbrauch Zweitaktgemisch: <3.5l/100km.

Das grosse Artensterben auf dieser Welt wird den Menschen erst bewusst werden, wenn schliesslich auch der Tiger im Tank ausstirbt.

Geändert von bluedog (13.05.2008 um 20:28 Uhr)
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