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Alt 15.10.2009, 22:37   #1
bluedog
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Standard Über den Sinn und Zweck eines Notrades

Ich hab mal wieder so eine Story erlebt, bei der ich den Mund einfach nicht halten kann. Das muss ich euch einfach erzählen!

Ich stand heute, nach einem Reifenplatzer (nein, keine Alte Schwarte, sondern ein gerademal 4 Jahre alter Markenreifen! Ich gebe zu, nächsten Frühling hätt ich den aus Profilgründen erneuert, aber auch das Profil sah noch gut aus.) fast zwei Stunden an der Autobahn, bis mich der Pannenhelfer dann doch noch fand. Aber von vorne...

Ich hab mich schon auf den Feierabend gefreut, und darauf, heute endlich mal wieder vor der Glotze ausspannen zu können. Bin so auf der Autobahn, und fahr grad urgemütlich an den LKW auf der Schweizerischen A1 vorbei. Die Schlaglochpiste im Aargau Auf der Höhe der Verzweigung Egerkingen stell ich fest, dass ich mehr Gas geben muss als gut ist. Ich prüfe den Handbremsgriff. Hab ich zwar seit dem frühen Morgen nicht mehr benutzt, aber sicher ist sicher. Die ist gelöst, und die Warnleuchte auch aus. Derweil muss ich immer mehr Gas geben, um auch nur mit den LKW mitzuhalten. Aber es geht bergauf, und ich denk mir so: „Schon wieder so eine Sch**** Bremse fest!
Dann wird es laut, und ich hab Mühe, auch nur die 80 im dritten Gang zu halten. Der Schlalöcher und Flicken wegen fällt die Lautstärke aber gar nicht auf. Auch dass die Fahrt holprig ist, ist selbsterklärend, wenn man diesen Teil der A1 kennt. Und die Erklärung hat gar nichts mit dem Auto zu tun. Ich fasse den Entschluss, in Oensigen von der A1 runter zu fahren, und zu sehen, was da mit Bremsen oder anderen Teilen los ist.

Ganz kurz darauf ist der Flickenteppich vorbei. Mein Auto fährt aber statt leiser lauter, und ich komme mir vor, als Hätt mir einer die Stossdäpfer geklaut. Einen Moment später kommt ein Rattern von hinten. Mir wird klar, dass die Bremsen genau so sind, wie sie sein sollen! Denn an der Hinterachse sind die nicht wirklich anfällig... In einem leichten Anflug von Panik fahr ich auf den Seitenstreifen. Mitten im Feierabendverkehr. Allerdings bin ich so geistesgegenwärtig, den Wagen bei einem Transformatorhäuschen zum Stehen zu bringen, wo drei oder vier mal mehr Platz ist.

Von dem Transformatorhäuschen aus seh ich mir derweil den Stau an, und schicke 2 Autofahrer weiter, die angehalten und Hilfe angeboten haben. Aber der TCS macht das schon, und ich will keine Zivilisten in Gefahr bringen... Immerhin wissen die gelben Engel, wies am sichersten ist, und am schnellsten geht...

Also fahr ich den Wagen soweit nach rechts, dass ich sicher aussteigen kann, 2 Räder noch grad so auf dem Asphalt... Ein Glück, wie schon ein Blick nach Hinten durch die ein wenig geöffnete Tür zeigt... Denn hinten links ist der Luftdruck im Reifen Geschichte! Ich bin erleichtert, denn das heisst, dass keine teure Reparatur auf mich zu kommt. Also zücke ich mein Handy und rufe den TCS zu hilfe. Ein Fehler. Denn: Obschon ich angebe, zwischen welchen beiden Ausfahrten und in welche Richtung ich liegen geblieben bin, findet mich der Patrouilleur nicht. Ich bin wohl zu nah an einer Verzweigung, so dass es drauf ankommt, von welcher Richtung her man kommt, um mich zu finden. Die halbe Stunde, dies dauern sollte, bis der gelbe Engel auftaucht, verstreicht. Längst hab ich mir das Spektakel des Werktäglichen Pendlerstaus bis zum bitteren Ende angesehen. Recht pünktlich vibrierts auch in der Hosentasche – einmal. Dann gibt der Akku den Geist auf. Auch das noch. Aber ich vermute, dass das eben die Nachricht war, dass man mich nicht gefunden habe.

Kurz darauf mache ich mich auf zur nächsten Notrufsäule. Die ist zum Glück nicht wirklich weit weg. Aber sicherheitshalber geh ich durch das Buschwerk auf der „Wiese“ hinter der Leitplanke. So geht das nur langsam voran... Unterwegs dämmert mir, dass ich bei dem Lärm kaum was werd verstehen können... Ich lauf einmal um die Säule rum und finde den in etwa fünf oder sechs Sprachen angeschriebenen Knopf. Bedienung aber auch ohnedies recht simpel. Denn es gibt nur einen Knopf. Für eine einzige Funktion finde ich das passend. Den drück ich, und denk mir dabei, dass ich das eigentlich schon immer mal tun wollte. Was ich genau gehört hab, nebst unglaublich lautem Strassenlärm natürlich, weiss ich nicht mehr. Undefinierbar. Aber eine Sekunde Später fange ich Sprachfetzen im Wind-Motorlärm-Salat auf. Ich versteh kein Wort, aber immerhin weiss ich jetzt, dass die Leitung offen ist. Ich schreie also mal auf gut Glück meinen Namen da rein... nur um dann gebrochen ein nach „Ist da wer?“ klingendes „Hallooo! Hallo!!! aufzuschnappen. Ich schreie nochmals. Diesmal lauter und erfolgreicher. Kann allerdings mein Gegenüber nicht recht verstehen. Zu nah und zu laut donnern LKW und anderes drei Meter weiter an mir vorbei, und einen Hörer gibt es nicht... Ich hoffe auf Verständnis für die Situation, mache mir nichts draus, und schildere einfach meine Situation. Panne, TCS schonmal angerufen, Akku vom Handy leer... Binnen Sekunden bin ich mit so einer netten Dame vom TCS verbunden, so wie ich das vor drei Viertelstunden schonmal war. Aber damals komfortabler, im Warmen, Wind und Lärm abweisenden Auto.

Noch immer kann ich kaum was von dem verstehen, was sie sagt. Aber ich kenn ja das Spiel...

Ich komme mir vor, als würd ich beim McDrive an der Gegensprechanlage stehen, und müsste dem Gegeüber den Wilhelm Tell vortragen... Sinnlos. Aber ich weiss ja, was die wissen wollen, und die Dame spricht besser verständlich, als der (vermutlich) Herr am Anfang.

Recht schnell hab ich ihr klar gemacht, wie ich heisse, dass ich TCS-Mitglied bin, und dass ich schonmal angerufen habe. Sie fragt das Übliche, was ich nicht verstehe, versuch ich zu interpolieren. Ich gebe also Namen, Wagentyp, Kennzeichen, die Schildaufschrift der Säule, die Fahrtrichtung, mein Kennzeichen an, und dass mein Wagen geschätzt 200m vor der Säule steht... werde zuletzt noch gefragt, ob ich Handschalter oder Automatik fahre. Nach dem zweiten Anlauf hab ich die Frage gepeilt, und etwa in der Hälfte des dritten Anlaufs hat die Dame dann raus, dass ich sie bereits verstanden habe. Antwort: Automatik!! Auch das wieder mehr als einmal.
Das wars. Ich frag noch, ob ich an der Säule oder beim Auto warten soll, und gehe dann auf Anweisung zum Auto. Allerdings warte ich zurückversetzt, und es fällt mir nicht ein, ins Auto zu steigen, den Motor anzumachen und Wärme zu geniessen. Zu viele Videos von Autos auf Seitenstreifen, die von anderen Autos weggefegt werden, hab ich gesehen, und zu oft selber beobachtet, wie LKW immer mal wieder den Seitenstreifen mitnutzen. Ich bin nur froh, dass ich mich nicht selber hinknien muss zum Radwechsel. Ich räume die wenigen Dinge immerhin aus dem Kofferraum, die darin sind um nicht zu sehr zu frieren. So gehts nachher schneller von wegen Notrad rausholen...

Es ist schon dunkel, als nach fast 2 Stunden der gelbe Engel doch noch eintrifft. Murmann heisst er, und macht sich schnell und routiniert an die Arbeit. Minuten Später ist das Notrad drauf, und ich staune, dass sogar genug Luft drin ist. Als hätt ichs geahnt, hab ich vorletzten Frühling beim Radwechsel auch den vom Notrad mit 4.2 Bar befüllt. Der war fast leer gewesen damals...

Zum Abschied werd ich noch beschenkt. Ich krieg nen Glückskeks, einen Flyer mit Werbung drauf, und eine Parkscheibe... Hätte sowas nicht erwartet! Hut ab. Heitert dann doch auf... Ich komm mir vor, wie ein Kind, dem jemand ein Bonbon geschenkt hat. Schön, dieses Gefühl. Auch wenn man längst kein Kind mehr ist. Danke an den Herrn Murmann an dieser Stelle.

Als alles montiert, so gut es geht auch wieder versorgt ist, und er sogar das Warndreieck noch für mich eingesammelt und zusammengefaltet hat, setzt sich der Mann in mein Auto, und startet den Motor. Immerhin haben die Warnblinker die letzten knapp zwei Stunden um ihr Leben geblinkt... Der Mann denkt wirklich an alles... Ich bin allerdings nicht überrascht, als der Motor nach ein paar Umdrehungen des Anlassers wie gewohnt anspringt. Wir tauschen die Plätze, und er ermahnt mich, auch wirklich nicht schneller als 80km/h zu fahren. Ich bedanke mich von ganzem Herzen, löse die Handbremse, gewöhne mich an die Dunkelheit und an die Schlagseite, die der Wagen durch das 12“-Notrad hat, merke, dass die Spurtreue auch schon mal besser war... nehme die nächste Ausfahrt. Dann fahr ich an ne Tanke und seh mir den Reifen an. Es ist auch bei Lichte tatsächlich nicht sichtbar zu wenig Luft in dem kleinen Reifen! Besser kriege ichs mit dem kleinen Beutelchen Pressluft auch sicher nicht hin, wenn ich an den Reifendruck denke, den das Handbuch dafür vorgibt. Also fahr ich auf den Parkplatz, weg von der Zapfsäule und marschiere in den Shop, wo ich mir Kekse kaufe. Ist das erste was mir ins Auge fällt. Kommt sicher gut auf quasi leeren Magen und DIE Erlebnisse. Sind mir eigentlich zu teuer, ist aber auch schon egal...!

Auf dem Heimweg merk ich, dass ich beim Bremsen höllisch aufpassen muss. Also mit viel Vorsicht fahren, sowieso um die Kurven. Die Krängung nach links ist arg gewöhnungsbedürftig, ansonsten gehts. Unterwegs hol ich die Post aus dem Postfach, und füttere als erstes zu Haus die Katzen... die warten seit 3 Stunden auf ihr Abendessen...

Zwei Telefonate später weiss ich, dass ich vor Samstag das Notrad nicht loswerde, denn morgen muss ich Arbeiten. Gut, dass ich nicht auf Reifendichtmittel gesetzt hab! Aber ich werd mich morgen um einen Termin Kümmern und wohl am Samstag die Winterräder montieren... So hab ich dann alle Zeit der Welt, mich um einen Satz neue Sommerreifen zu kümmern. Wenn ich überhaupt noch welche anschaffe... Denn viel fahren werd ich ab nächstem Jahr voraussichtlich nicht mehr... so dass sich zwei Sätze Reifen wohl nur noch bedingt lohnen... Zumal eine meiner 8 Felgen ohnehin ersetzt werden muss, und nach dem Reifenplatzer auf der Schlaglochpiste wohl nun auch ne zweite.

p.s.: Km-Stand bei dem Malheur: 105'916.
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Cuore L251 Bj 7/2003, Automatik: Ausrangiert, leider!

Citroen C1 Automatik BJ 2011:

Mofa: Dreirad auf Basis eines Amsler-Pony, Verbrauch Zweitaktgemisch: <3.5l/100km.

Das grosse Artensterben auf dieser Welt wird den Menschen erst bewusst werden, wenn schliesslich auch der Tiger im Tank ausstirbt.

Geändert von bluedog (15.10.2009 um 22:51 Uhr)
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