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Alt 02.04.2007, 01:47   #11
mulxmilx
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Daumen hoch Die Weisheit des kurzen Radstands

Schon seit Jahrzehnten ist bekannt: Je breiter die Reifen eines Autos sind, umso teurer sind sie, umso mehr Reibung erzeugen sie, umso schwerer sind sie zu lenken, umso mehr Verbrauch erzeugen sie, umso schneller verschleißen sie und umso anfälliger sind sie für Aquaplaning. Diese uralten Erkenntnisse verhindern nicht im Geringsten, dass die Autoreifen seit Jahren immer breiter und breiter werden. Ist das nicht komisch? Naja, ich geb ja zu, optisch machen breite Schlappen ordentlich Eindruck. Aber technisch bieten Sie kaum mehr als höhere Kurven- und Schlingerfestigkeit bei schneller Fahrt. Für alles Weitere gibt es viel wirksamere und modernere Wege als die Reifenbreite.

Mit dem Radstand ist es kaum anders, aber das ist weit weniger bekannt. Gültige vorherrschende Meinung ist: Je länger der Radstand eines Autos, umso besser liegt es auf der Straße. Na toll, dem werde ich auch gar nicht widersprechen, aber bittesehr: Ein Auto ist doch kein Liegezeug, sondern ein Fahrzeug. Die ganze Glorifizierung des langen Radstands halte ich für einen Irrweg. Wenn man mal in die Natur schaut: Alles, was sich bewegt, insbesondere was sich schnell bewegt, hat die Beine mittig angeordnet und nicht an den äußersten Ecken. Klar, im Stillstand liegt ein langgezogener Radstand wie ein Brett auf der Straße. Aber bei der Fahrt und bei anderen wichtigen Aspekten des alltäglichen Betriebs, wie weit gehen denn da, bei nüchterner Betrachtung, die Vorteile?

Je weiter die Räder voneinander entfernt sind, umso verwindungssteifer muss das ganze Fahrzeug gebaut sein. Erstens wegen der freitragenden Länge (und ggf. Breite), und zweitens, weil die and den äußersten Ecken platzierten Räder ggf. sehr große Stoßkräfte einzeln auf die jeweilige Ecke ausüben. Wenn dann die Federn und Stoßdämpfer dieser Tatsache entsprechend ausgelegt sind, dann kann so ein Fahrzeug sehr viele Bodenunebenheiten gut "wegstecken". Man fährt also komfortabel und wird außerdem im Innenraum nur minimal durch die Radkästen behindert, hat also gut Platz.

Und das war's dann wohl auch schon weitgehend. Wofür braucht man sonst einen langen Radstand? Fürs Spurhalten bei schneller Fahrt? Glaub ich nicht. Für gute Kurvenlage? Mag eine Rolle spielen, aber andere Faktoren sind dabei bestimmt wichtiger. Für Kippsicherheit bei Wedel-Manövern? Von wegen! Man erinnere sich mal bloß an den legendären "Elch-Test" mit dem Mercedes-A! Knautschzone, Unfallsicherheit? Zugegeben, ein Problem bei den Minibussen. Aber bestimmt ein lösbares Problem wenn der Wille vorhanden ist.

Wahr ist dies: Bei kurzem Radstand im Verhältnis zur Fahrzeuglänge ist das Fahrzeug insgesamt etwas schaukel-anfälliger, weil Federn und Stoßdämpfer straff ausgelegt sein müssen, und weil Boden-Unebenheiten in steilerem Winkel überfahren werden. Man muss also bei hoppeligen Bahnübergängen, Schlaglöchern, Verkehrsberuhigungsschwellen und Kopfsteinpflasterstraßen vorsichtig fahren. Geschenkt - das sollte man in solchen Fällen ja wohl sowieso.

Aber sonst: Schnelles Fahren, langsames Fahren, Spurtreue, Kurvensicherheit, Lastwechsel- und Seitenwindstabilität, das geht alles auch mit kurzem Radstand, bei guter moderner Fahrwerkskonstruktion. Und dann gibt es noch zweierlei, das gibt es NUR bei kurzem Radstand: Sehr gute Parklückentauglichkeit, sehr kleiner Wendekreis. In puncto WENDIGKEIT sind gut gebaute Fahrzeuge mit kleinem Radstand allen anderen üblichen Fahrzeugen haushoch überlegen.

Und nun kann man einmal nüchtern entscheiden, was wohl im heutigen Straßen-Alltag wichtiger ist - Schlaglochtauglichkeit oder Parklückentauglichkeit...

-- Fortsetzung folgt --
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